Letzte Nacht habe ich von der Mittenwalder Straße geträumt. Das kommt, weil ich eine Serie gesehen hatte, die im Mittelalter spielt. Im Traum waren Freunde von mir zu Besuch in Berlin und ich wollte unbedingt, dass sie den besten Caipirinha aus dem Kiez bekommen. Den gab es – in meinem Traum! – in der Blechbüchse in der Mittenwalder Straße. Das war in den 90ern eine komplett mit Blech ausgekleidete Bar. Sie öffnete immer erst um Mitternacht und schloss um zwölf Uhr Mittags.
Es gibt sie schon lange nicht mehr. So lange, dass es mir so vorkommt, als wäre sie selbst aus dem Mittelalter. Sie sah ja im Grunde auch wie ein nach außen gestülpter Ritter aus. Das würden die Betreiber jetzt allerdings bestreiten, da das ganze Blech in erster Linie obercool war. Nur: Caipirinha gab es da definitiv nicht. Man zog statt dessen … nee, das darf ich jetzt nicht sagen … aus dem Kaugummi-Automaten. Kein Raum für so Firlefanz wie gut gemixte Cocktails.
Sowieso, Cocktails sind und waren einfach nie das Hauptwirkungsgebiet der Punks. Das habe ich auch schon am eigenen Leib erfahren. Bei der Eröffnung des Café Morgenrot in der Kastanienallee zum Beispiel. Da wurde der Caipirinha im roten Zahnputz-Plastikbecher serviert. Rohrzucker gab es nicht, den hatten die Barkeeper durch weißen Industriezucker ersetzt.
Ja, der Teufel steckt halt immer im Detail, nicht? Wobei der weiße Zucker einfach besser zum roten Becher passte, klare Sache. Die Limette war zwar nicht durch eine Zitrone ersetzt worden, nützte aber nichts, weil sie keinen Saft abgab. So gesehen wäre es optisch noch viel besser gewesen, sie als komplette Hälfte in den roten Becher zu legen. Ich mix das zuhause mal nach. Hat nämlich trotzdem gut geschmeckt und auch Spaß gemacht.
Zu dem Zeitpunkt hatte das Café noch gar keinen Namen, der sollte an diesem Eröffnungs-Abend geboren werden. Ein Freund von mir schlug „Zum Punk“ vor. Das hätte auf jeden Fall gut zu dem Caipirinha-Style gepasst. Sein zweiter Vorschlag, „WTC“, wurde auch nicht angenommen. Ich glaube das liegt daran, dass Punks ein bisschen romantischer sind, als sie durchblicken lassen. Wenn es sie noch gibt. Gibt es Punk noch?
Ach ja, hier, er ist überall lebendig. Meine Lieblingsgeschichte für angewandten Punk als Alternative zur Hölle stammt ja von Jón Gnarr und seiner Amtszeit als Bürgermeister in Reykjavik. Was die Politiker zu der Zeit nicht draufhatten – nämlich aufräumen – damit kannten sich die Punks gut aus.
Ich meine, davon können wir insgesamt noch mehr vertragen. Punk ist heute weniger die Kritik am Establishment, als vielmehr eine Einstellungssache. Durchaus machbar, also. Was mich wieder zu meinem Serien-Spektakel mit der Mittelalter-Kulisse zurückführt. Vor dem Fehler gewarnt, sich nicht unterzuordnen, sagte ein Anführer: „Als freier Mensch Fehler machen zu können, ist alles, was ich je wollte.“
Ja, super! Her damit, mehr von diesem Geist!
Und die Gäste aus meinem Traum? Ich glaube, die haben sich gut amüsiert, weiß ich jetzt gar nicht mehr, ich war zu gebannt von der alten Bar. Und weil für diesen Text auf die Schnelle kein Titelbild passen wollte, gibt es jetzt dieses Elfen-Pony. Das kann für Pony-Verhältnisse durchaus als Punk durchgehen … mit ein wenig Goldstaub. Überhaupt, der Goldstaub! Der darf auch nirgends fehlen, in Wirklichkeit nicht und im übertragenen Sinne schon gar nicht.